1935 - 2005 | 70 JAHRE WUPPERTALER GEWERKSCHAFTSPROZESSE | VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT 1935 - 2005 | 70 JAHRE WUPPERTALER GEWERKSCHAFTSPROZESSE | VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT # #
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Otto Schwebinghaus
 

Otto Schwebinghaus, geboren am 20. Januar 1904 in Ronsdorf, lernte Bandwirker und hatte zusammen mit seiner Ehefrau Alma, geborene Stamm, zwei Kinder.

1921 trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei, nachdem er vorher der Sozialistischen Proletarier Jugend angehört hatte. 1929 wurde er Mitglied der KPD und wurde später politischer Leiter der KPD-Ortsgruppe Ronsdorf, für die er von April 1932 bis Januar 1933 als Stadtverordneter im Wuppertaler Stadtparlament saß.

Im April 1933 wurde Schwebinghaus verhaftet. Seine Verhaftung schilderte er folgendermaßen: „Ich wurde in der Nacht vom 28.-29. April zum ersten Male wegen antinazistischer Gesinnung von 25 SA-Leuten unter Führung von Benner ‚verhaftet’. Bei der Haussuchung wurden etwa 60 Bücher, meist soziologischen und ökonomischen Inhaltes, sowie mehrere Mappen (Kollwitz) beschlagnahmt. Ein Filmvorführapparat für 9,5 mm Schmalfilm, Bildbandprojektor 32 mm, Photoapparat wurden ebenfalls mitgenommen. Desgleichen zwei Fahrräder. Ich wurde damals in die berüchtigte SA Kaserne Münzstraße verschleppt und erst nach heftiger Misshandlung einige Tage später dem politischen Gefängnis Bachstraße übergeben. Dort wurde mir der Schutzhaftbefehl ausgehändigt und ich kam über Bendahl nach Konzentrationslager Börgermoor und weiter nach Konz. Lager Esterwegen. Entlassung erfolgte am 14. August 1934. Während dieser 16 Monate dauernden Haft verlor ich meinen Webstuhl mit allem Zubehör. Er wurde für die Mietschulden zurückbehalten, die durch den langen Stillstand des Webstuhles für die Werkstelle entstanden waren.“
Nach der Haft musste der bis dahin beruflich Selbständige sein Gewerbe aufgeben und den Lebensunterhalt für die Familie als Hilfsarbeiter verdienen.

Im Oktober 1936 wurde Schwebinghaus erneut festgenommen, als es der Gestapo gelang, die lokalen Akteurinnen und Akteure der Öffentlichkeits- und Solidaritätskampagne des Wuppertal-Komitees aufzuspüren. Das OLG Hamm verurteilte Schwebinghaus im März 1937 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Da er diese durch die Untersuchungshaft bereits verbüßt hatte, wurde er am gleichen Tag erneut in „Schutzhaft“ genommen. Die „Schutzhaft“ verbrachte er bis April 1937 zunächst im Polizeigefängnis Bachstraße. Vom April 1937 bis zum Juli 1937 war er im Konzentrationslager Lichtenburg untergebracht, bis zu seiner Befreiung am 11. April 1945 durch die Amerikaner im Konzentrationslager Buchenwald.

Bei der Polizei in Wuppertal ließ die Staatsanwaltschaft aus Hamm noch anfragen, ob Schwebinghaus in der Lage sei, die Gerichtskosten zu tragen. Die antwortete daraufhin, dass Schwebinghaus kein Vermögen besitze und seine Familie von der Wohlfahrt unterstützt werde.

Im Konzentrationslager Buchenwald erlernte Schwebinghaus die französische, englische und russische Sprache. Zudem eignete er sich das Bauzeichnen und die damals moderne Bürokommunikation an. Diese Fähigkeiten retteten ihm das Überleben im Konzentrationslager, da er von der Lagerleitung in das Büro der Lagertischlerei berufen wurde und dort die Materiallagerkartei und die Werkzeuglagerkartei führte. Später musste er aufgrund seiner Sprachfähigkeiten den Einsatz von bis zu 2100 gefangenen Zwangsarbeitern in der Produktion von Flakpatronenhülsen leiten.

Nach seiner Rückkehr aus Buchenwald stellte Schwebinghaus einen Antrag auf Wiedergutmachung. Diesem wurde stattgegeben, da er als politisch Verfolgter galt. Er erhielt sowohl eine Entschädigung für die Haftzeit von 17.700 DM, als auch eine Entschädigung für den ihm entstandenen „Berufsschaden“ in Höhe von 3.000 DM. Da er durch die Haft an einer Herzklappenerkrankung litt, minderte sich seine Erwerbsfähigkeit ab Januar 1948 um 70 Prozent. Er erhielt dafür einen Anspruch auf Rente. Dennoch blieb er weiter für die Wuppertaler Stadtverwaltung tätig. Seine Frau wurde ebenfalls als politisch Verfolgte durch den Kreissonderhilfsausschuss anerkannt. Ihr Antrag auf Entschädigung wurde aber abschlägig beurteilt. Alma Schwebinghaus musste infolge der Verfolgung ihres Mannes nicht nur das erste Kind allein erziehen, sondern dadurch litt sie an epilepsieartigen Schwächeanfällen und Nervosität. Wie in vielen ähnlichen Fällen wurden Krankheiten, die eher dem psychischem Bereich zuzuordnen waren, nicht oder nur ungenügend anerkannt.

Seit November 1945 war Schwebinghaus für die Stadtverwaltung Wuppertal im Kassen- und Registraturamt tätig und wurde 1947 verbeamtet. Ab Juli 1951 war er beim Amt für Wiedergutmachung eingesetzt. Ihm wurde dort die Bearbeitung aller „Haftentschädigungsfälle“ übertragen.

Das Engagement Schwebinghaus’ für die Wiedergutmachungsfälle ging so weit, dass er nach seiner Pensionierung im Januar 1969 den Dienst an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat wieder aufnahm, um auch die letzten Fälle bearbeiten zu können. Endgültig beendete er seinen Dienst am 30. Juni 1971.
Schwebinghaus verstarb am 30. August 1984.

(gekürzte Version des Textes „Stadtoberinspektor Otto Schwebinghaus“ von Frank Homberg)

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